Mrz 25 2010
Endgame in PVP orientierten Spielen – Ist Multipolarität die Lösung?
Bezugnehmend auf meinen ersten Kommentar zu Sleth‘ Frage, ob Playerdriven Content noch funktioniert, indem ich die These aufgestellt habe, dass die Bipolarität von Spielen wie Aion und War zu deren Verhängnis geworden sind, will ich das Thema etwas auswalzen.
Vorweg, es ist sicherlich nicht der einzige Grund, die Anreizmechaniken die War teilweise setzt/setzen muss, führen ohnehin schon zu einem sehr ergebnis/itemorientierten Gameplay. Ein anderes Problem, dass fast alle Spiele gemein haben, ist dass das Endgame itembasiert ist, sprich die Charakterentwicklung findet nach Erreichen des Levelcaps nur noch über Ausrüstung statt. Das führt wiederum zur Mudflation beim Gear und zu dem Problem, dass man natürlich alles tut, um diese Ausrüstung zu bekommen.
Aber zurück zur Frage der Bipolarität: Bipolarität ist in dem Sinne zu verstehen, dass sich zwei Seiten im Konflikt befinden und der Kampf ständig hin und hergehen soll zwischen diesen beiden Spielerfraktionen. Das Gegenstück wäre dann die multipolare Welt, wo zumindest 3 Fraktionen streiten, vorzugsweise eventuell noch mehr. In Eve haben wir faktisch den Idealzustand, was Multipolarität angeht: es gibt Corps und Allies in allen Größenordnungen und selten wird außerhalb des eigenen Verbands aufeinander Rücksicht genommen. Natürlich gibt es hier die Ausnahmen der diplomatischen Bündnisse und teilweise auch mehr (die Meta Allianz Razor/Morsus Mihi als Kernteil der Northern Coalition wären ein solches Beispiel), aber die Geschichte hat gezeigt, dass es auch diese zerlegen kann. Darüberhinaus sind selbst diese langen sogenannten Bluelists (also Listen der Leute mit einem positiven, blau angezeigten Standing), letztendlich nicht geeignet, Konflikte komplett abzuschaffen. Dazu kommt, dass man in Eve durchaus aus assymetrische Kriegsführung betreiben kann, das beste Beispiel hierfür ist ein gecloakter Covops/Recon Pilot im gegnerischen Ratting/Mining System, der den kompletten Betrieb lahmlegt.
Man darf also fragen, warum Mythic in War sich von vorneherein auf 2 Seiten beschränkt hat, anstatt wie bei Daoc 3 Seiten zu nehmen (das Modell war ja überaus erfolgreich). Man darf auch fragen, warum Aion eine NPC Fraktion als dritte Fraktion gewählt hat. Denn zwei Seiten, die um dieselben Objekte kämpfen UND die dafür belohnt werden, wenn die Objekte regelmäßig den Besitzer wechseln (es gibt kaum Anreize zu verteidigen, jedenfalls im Vergleich zum Angriff), werden, egal wie das Spiel gestrickt ist, sich früher oder später bewußt oder unbewußt absprechen und den einfachen Weg suchen. Ein einfaches Beispiel ist das AV in WoW: beide Seiten reiten am Field of Strife aneinander vorbei und hauen lieber dem Captain auf die Mütze als dem Gegenspieler. Im krassesten Fall findet einfach ein Boss Rush statt, weil kaum jemand verteidigt. Warum geschieht dies? Weil der Anreiz, ein schnelles Spiel zu verlieren und zu requeuen größer ist als der, vier Stunden lang herumzuzergen (auch wenn dieser Begriff negativ besetzt ist, genau dies ist eigentlich einer der Zwecke des AV, nämlich mass PVP).
Ich weiß noch, wie ich damals AoC unbedingt spielen wollte, unter anderem weil die angekündigte Mechanik mit Spielerkeeps und den hieraus entstehenden Konflikten sich sehr spannend anhörte. Insofern und trotz vieler Dinge, die bei AoC fehl schlugen, bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass es viele gute Konzepte dort gab, die nur leider nicht oder schlecht umgesetzt wurden.
Was ist also der richtige Weg für das next Generation PVP MMO?
1. Multipolarität schaffen
2. Anreize zum Verteidigen der eigenen Seite schaffen – bspw durch die Gefahr, Gewonnene Dinge wieder zu verlieren – Playerhousing/Industry/Keeps als Beispiel
3. Entwicklung der Charaktere nicht nur über Items
4. Eine Engine und Server, die auch mass PVP tauglich ist
5. Anreizmechanik generell weniger direkt wirken lassen, sondern die Rewards mittelbar bereitstellen
Holger
25. März 2010 @ 11:08
Kleine Korrektur zu Aion: Es gibt Anreize, die Festungen zu verteidigen:
– Festungs-Instanzen bleiben in der eigenen Hand
– Die Belohnung an Medaillen scheint (zumindest meinem subjektiven Empfinden nach) größer zu sein, als wenn man angreift
– Spezielle Quests werden freigeschaltet
Daraus ergibt sich ein kleiner Rattenschwanz von indirekten Anreizen: Die gegnerische Fraktion wird dadurch geschwächt, denn diese hat größere Probleme Balaur-Flecken zu farmen (da bei weniger Balaur-Festungen nur noch die Festungs-Inis diese so richtig gut abwerfen), außerdem erhält die gegnerische Fraktion so weniger Abyss-Punkte und Medaillen, was auch dann natürlich den Ausrüstungsnachschub bei der gegnerischen Fraktion verzögert und die eigene Fraktion stärkt.
Damit werden Rift-Gruppen der dominierenden Fraktion natürlich gefährlicher, was auch im Sinne der eigenen Fraktion sein sollte, dies zu verhindern. Hinzu kommt, dass die unterlegene Fraktion höhere Steuern in Kauf nehmen muss – AH-Preise steigen wegen erhöhten Einstellpreisen, Transportkosten steigen… wirkt sich also auch negativ aus, wenn man einen Keep verliert.
Anreize gibt es also. Die Spieler sind nur zu doof, manche dieser Mechaniken zu kapieren und denken, es ginge sie nichts an – und das, obwohl es groß und breit bei einigen eigentlich im Spiel steht (bspw. die Sache mit den Steuern in dem netten Abyss-Balken, welche Fraktion wieviel Einfluss hat).
Einziges, was der ganzen Sache so richtig kontraproduktiv entgegenwirkt ist, dass es Kampagnenquesten gibt, zu denen die gegnerische Seite einen Keep haben muss. Das ist allerdings auch der einzige Grund, der irgendwie zu Geschiebe führen könnte (auf Balder allerdings bisher noch nicht).
Ich bezweifle aber weiterhin, dass ein bipolares System das Grundproblem ist. Meiner Analyse nach liegt es eher daran, dass die Spieler damit nicht umgehen können. Ich habe lange genug funktionierende bipolare Systeme auf Ultima-Online-Freeshards und NWN-PWs gehabt, die funktionierten.
Ich bleibe weiterhin bei meiner These, dass die Community es verlernt hat, „zu spielen“. Anders kann ich mir das nicht erklären. Keep-Raids in Aion sind wirklich extrem spaßig. Ich sehe keinen Grund, faul rumzusitzen und nicht daran teilzunehmen, nur weil es Items anders gibt. Wozu spiele ich Aion? Um der gegnerischen Seite auf die Mütze zu geben und weil es echt rockt, mit hunderten anderen Flügeln Seite an Seite über eine Festung zu rollen, Ausfallmanöver zu machen, Artefakte zurückzuerobern und und und.
Ich frage mich immer noch, wie man auf diese Frage antworten kann: „Weil ich so tolle Items bekomme.“ Ich habe auch nicht Fußball gespielt, weil die Pokale in der Vitrine so toll aussehen, sondern weil das Spiel Spaß macht. Da ist also lediglich eine ganze Spieler-Generation absolut verkorkst und dem Item-Wahn verfallen – zumindest kann ich diese Einstellung überhaupt nicht nachvollziehen und bleibt mir vollkommen unverständlich. Ich bin mir nicht sicher, ob man da dem Klassen-Primus WoW wirklich die Schuld geben darf für diese verzogene Spielereinstellung, aber so langsam tendiere ich doch dazu, wenn ich mir mehr und mehr die Auswirkungen auch auf andere Spiele ansehe.
Scyla
25. März 2010 @ 12:02
Das Problem wirklich, dass die meisten Spieler, die ein neues MMO anfangen vorher schon mal WoW gespielt haben und deshalb eine ähnliche Spielmechanik (= Belohnungssystem) erwarten.
Ich selber hab vor WoW kein MMO gespielt und habe das, was ich vorgefunden habe einfach als gegeben akzeptiert und versucht mich anzupassen.
Für mich war es normal, dass ich als Krieger wenn ich alleine unterwegs war (in 2005) einfach gestorben bin wenn ich mich mit mehr als einem Mob angelegt habe.
Deshalb hab ich mir andere Spieler gesucht, um erfolgreicher zu sein.
Wenn ich jetzt aber als Spieler nur kenne, dass egal, was ich mache ich immer eine Belohnung bekomme (was in WoW einfach so ist), dann nehme ich das als gegeben hin und erwarte es auch in vergleichbaren Umgebungen (sprich anderen MMOs).
Was ein Entwickler schaffen muss ist, dass die Spieler sich auf das neue, andere Spielerlebis einlassen.
Wie das zu erreichen ist?
Hm, ja wenn ich das wüsste, dann sollte ich vielleicht Spieleentwickler werden 😉 .
Cawti
25. März 2010 @ 13:09
„Wie das zu erreichen ist?“
Durch Werbung. So komisch sich das anhört, man muß so etwas den Leuten immer und immer wieder vor sagen. Einfach um ihnen klar zu machen das sie im Grunde unwichtig sind.
@Mem
AoC hatte imo das beste Konzept der letzten Jahre. Die Ideen waren einfach genial. Wenn sie es halbwegs gut umgesetzt hätten, wäre es wohl das mmorpg der Zeit. Der Rest würde dann eben auf Diablo X warten.
Ghanur
25. März 2010 @ 13:36
@Holger:
//funktionierende bipolare Systeme auf Ultima-Online-Freeshards und NWN-PWs gehabt, die funktionierten.//
Diese beiden Beispiele sind leider keine!
Beides sind extrem kleine Gemeinschaften (weniger als 100 Leute), die durch einen diktatorischen Betreiber auf Linie gezwungen werden, oder das Spiel verlassen.
Bipolar könnte funktionieren, wenn es keinerlei Instanzen gäbe! Es liegt nicht an den Spielern, es liegt am Designer, der falsche Anreize setzt.
Ein Mensch wird sich immer denjenigen Weg suchen, der am einfachsten die besten Ergebnisse liefert.
@Scyla:
Wer mit WoW in die MMOW einstieg, ist für sein Leben gezeichnet *g*. Viele dieser „Anfänger“ kamen aus Singleplayer- und Netzwerkspielen (Diablo, Warcraft, …).
Wer vor WoW bereits online aktiv war (Onlinespiele, nicht Netzwerkspiele!), konnte sich später auch leicht aus dieser Farmerei lösen und neue Spiele finden.
@Cawti:
AoC hatte gute Ideen, die FailCom typisch nie umgesetzt wurden. Ein anderer Anbieter hätte da ein deutlich besseres Spiel gestalten können.
Ghanur
25. März 2010 @ 13:39
Nachtrag zum Artikel selbst 😉
Warum Mythic bei WAR auf zwei Seiten festgelegt ist, liegt an Games-Workshop, was die nicht gestatten darf nicht gemacht werden, egal wie gut eine Idee wäre.
Holger
25. März 2010 @ 13:54
@Ghanur: Mag sein, dass es bei NWN-PWs so ist, denn die können technisch einfach nicht so viele fassen. Aber auf dem UO-Freeshard, den ich meinte, waren über 300 Spieler gleichzeitig online. Aktive Spielerschaft natürlich noch höher. Bei reinen UO-PvP-Shards war die Spielerzahl sogar noch höher.
Mem
25. März 2010 @ 14:08
Jo, das mit GW hatte ich vermutet, wollte aber nicht wild rumspekulieren. 🙂
Cawti
25. März 2010 @ 14:11
@Ghanur
Da bin ich mir nicht einmal so sicher. Persönlich tendiere ich dazu das die ganzen Devs viel zu sehr von Controlling diktiert bekommen wie und wann das Spiel erscheint. So habe ich erst in Aion das erste mal größere Spielergruppen in einem mmorpg der neuen Generation gesehen ohne das es wirklich übel lagt und die Grafik noch mitspielt.
Und sind wir ehrlich, wäre AoC ein halbes Jahr später herausgekommen wäre wohl das meiste gefixed gewesen was wirklich störte. Die Klassenbalance mal nicht beachtet.
Mem
25. März 2010 @ 14:17
Ich hab mich auch ehrlich gesagt bei AoC sehr geärgert, weil wie gesagt, an sich war das Konzept schon nett. Aber leider halt total mies umgesetzt.
Mittlerweile muß man ja leider sagen, dass 80 % der Softwareschmieden die Vorbesteller als Betatester ansehen, was mir die Lust daran vermiest, mir MMOs zu kaufen, wo ich nicht mal länger reingeschaut hab, ohne dafür zu löhnen.
Cawti
25. März 2010 @ 14:27
Was wohl der Grund dafür ist das Betatests immer kürzer werden bzw. sehr stark mit einem NDA belegt sind.
Afaik war WoW das erste und letzte mmorpg das die Beta sogar aktiv im TV vorgestellt hat. Ich erinnere mich da an einige Giga Sendungen über Westfall und Teldrasil.
Imo ist das mmorpg Gewerbe erwachsen geworden. Wo vorher Devs eher die Richtung angaben ist es wohl heute mehr die „Verwaltung“ wo die meisten mit der Branche weniger zu tun haben. Siehe das berühmte Interview von Kotick.
Und ein mmo mit einer Mudflation ist imo einfacher und somit billiger zu produzieren und auch zu handeln als eines mit Playerdriven Content.
Sleth
26. März 2010 @ 00:14
AoC war sehr vielversprechend, ja. Aber da es zum Releasezeitpunkt keinerlei Vorteile gab eigene Keeps zu haben, geschweige denn, das es funktionierte welche zu bauen, war das Spiel so unfertig, das es nicht mehr schön war. Allein die Entscheidung, die Keeps in instanzierten Gebieten unterzubringen war schon ein Fehlgriff imo. Und da dieser Content gänzlich fehlte, mutierte das PvP angepriesene Game zum PVE Spiel, da die Instanzen das einzige waren, was funktionierte. Recht schnell gab es hier auch T-Set Äquivalente. Um das PvP nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren gab es dann ja ein ähnliches Ehresystem mit Punkten wie bei WoW, worüber man Items farmen konnte.
@Cawti
Ich denke es ist eigentlich genau anders herum: Ein Spiel was einen PlayerDriven Content bietet der funtioniert, braucht weit weniger regelmäßige Updates und neuen Content, um z.B. Spieler mit neuen Instanzen und Items bei der Stange zu halten, als ein progressives ItemGame wie WoW.
Allerdings ist die Erschaffung eines solchen Universums bei weitem schwerer. Doch wenn es einmal läuft, brauchst du nicht mehr viel daran zu „warten“. Das ist wiederrum bei WoW Co. schwerer, wo sich Entwickler nach dem Xten Update so langsam vorwerfen lassen müssen, das ihnen die Kreativität beim Encounterdesign verloren gegangen ist und der neue Boss im Endeffekt nur noch eine Lootschleuder ist.
Sprich kurzfristig mögen progressive Itemgames einfacher zu programmieren sein, auf die Dauer gewinnt allerdings PlayerDriven, da es sich zum Selbstläufer entwickelt.
Yitu
26. März 2010 @ 08:58
Ich stimmer erstmal dem Beitrag zu. Mehr Gruppierungen durch Spieler schaffen einen anderen Anreiz als 1vs1 ala Horde/Allianz und Order/Destro.
@Ghanur: Ich denke nicht das an der Stelle GW Wortführer war als es um 2 Fraktionen ging. In der GW-WARhammer-Welt kämpft jedes Volk gegen jedes Volk.
Mythic hat da eher das Konzept des ersten Warhammer-Online-Spiels aus UK aufgegriffen. Immer dran denken, einige Leute wurde zu Mythic transferiert…
Schönes Wochenende!
Yitu
Cawti
26. März 2010 @ 11:26
@Sleth
Ein PlayerDriven Content Spiel ist anspruchsvoller in der Entwicklung. Und imo auch im Support. Denn Fehlstellungen werden wohl eher eine große Baustelle sein.
Beim Itembasierten Spiel ist das Spiel wohl eher einfach gestrickt und Baustellen werden mit einer neuen Gearflut einfach erstickt.
Siehe die momentane BG Baustelle in WoW. Die Horde hatte lange Wartezeiten für das BG. Statt also generell etwas am Problem der Population zu ändern bzw. am BG System wurde einfach mit einer erhöhten Ehrepunktzahl die Belohnung weiter zugänglich gemacht.
Ghanur
26. März 2010 @ 11:50
@Cawti: Wie? Die Horde hat lange Wartezeiten?
Als ich noch gespielt habe war es genau andersrum: Ein Hordling hatte 4 BGs pro Stunde, eine Allianzler mit viel Glück einen in 6 Stunden…
Blizzard kann die Population nur dann steuern, wenn sie Spieler auf andere Server zwangsumsiedeln – und das Geheule möchte ich nicht hören *fg*.
Oder einfach den schwachsinnige Instanz-PvP einstellen – das Geheule würde weniger laut sein *g*.
@Yitu:
Das hört sich an, wie wenn die Entscheider hier gezielt WoW kopieren wollten… mit allen Nachteilen…
Yitu
26. März 2010 @ 12:59
@Ghanur: WoW ist ein Erfolg, also gehen wir kein Risiko ein, also halten wir uns da an WoW und nicht an DAoC. Meinst Du so in der Art? 😉
Cawti
26. März 2010 @ 14:12
@Ghanur
Die Horde hat wohl in vielen RP Wartezeiten und die Allianz sehr oft für die kleinen BGs Instant invites. Es haben zu viele zur Horde gewechselt und die PvP Begeisterung ist da wohl größer.
Dazu kommt das auf den meisten PvP wie auch RP-PvP mehr Horde als Allianz anzutreffen ist.